Traditionell an Nachrichten interessiert
Die aktuellen Österreich-Ergebnisse des „Reuters Institute Digital News Report“ wurden im Juni exklusiv in der APA präsentiert und von einer Expertenrunde diskutiert.
Die Nachrichtenaffinität der Österreicherinnen und Österreicher ist hoch. „94 Prozent der Bevölkerung sind allgemein an Nachrichten interessiert, Österreich liegt damit über dem globalen Schnitt“, erläuterte Stefan Gadringer von der Universität Salzburg, welche bei der Erstellung und Auswertung des Reports als Partner des Reuters Institute fungiert, bei der Präsentation der Österreich-Ergebnisse in Wien. Das Vertrauen in Nachrichten sinkt jedoch über alle Medien hinweg das zweite Jahr in Folge. 2019 gaben 38,7 Prozent der Befragten an, den Nachrichten im Allgemeinen zu vertrauen, 2018 waren es noch 40,7 Prozent.
Erstmals wurde auch die Qualität des heimischen Nachrichtenangebots beurteilt. 65,7 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Themen aktuell seien. Etwas mehr als ein Drittel hingegen erachtet diese als nicht relevant. Dass Nachrichten zum Verständnis beitragen, davon sind 42,9 Prozent überzeugt.
Bei den genutzten Nachrichtenquellen zeigt sich Österreich laut Gadringer sehr traditionell: Am beliebtesten ist das Fernsehangebot (64,7 Prozent), gefolgt von gedruckten Zeitungen (53,5 Prozent). Während die älteren Befragten vor allem diese beiden Quellen bevorzugen, beziehen die jüngeren Altersgruppen ihre Informationen verstärkt über soziale Netzwerke – bei den 18- bis 24-Jährigen sind das 67,3 Prozent.
Die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten steigt nur langsam. 9,1 Prozent der Befragten gaben an, in der vergangenen Woche dafür bezahlt zu haben, 2018 waren es 8,5 Prozent. Tendenziell steigt die Zahlungsbereitschaft bei jüngeren Nutzern stärker – im Segment über 45 Jahren gibt es kaum Veränderung.
„Man hatte die Annahme, man könne das amerikanische Modell importieren“, beschrieb Josef Trappel, Professor für Medienpolitik und Medienökonomie an der Universität Salzburg, die ersten Versuche heimischer Medien, für Online-Nachrichten Geld zu verlangen. „Das Angebot amerikanischer Verlage ist aber englisch und am globalen Markt gefragt – das möchte man auch in Indien und Australien lesen.“ In Österreich würden bei den bereits implementierten Pay-Modellen „die Bäume noch nicht in den Himmel wachsen“. Die junge Generation hingegen habe bereits gelernt, dass man zahlen müsse für Dinge, die man haben möchte, erläuterte Trappel weiter und führte als Beispiel den erfolgreichen schwedischen Musik-Streaming-Anbieter Spotify an.
„Das könnte so etwas wie ein Henne-Ei-Problem sein“, fügte Richard Grasl, Leitung Digital in der Chefredaktion des „Kurier“, hinzu. „Wenn sich beim Angebot eine Bezahlkultur durchsetzt, wird auch die Bereitschaft steigen, Geld für Nachrichten auszugeben, aber das wird sicher nicht von heute auf morgen gehen“, zeigte sich Grasl verhalten optimistisch. Demnächst werde es beim „Kurier“ auch eine Paywall für Premium-Inhalte geben, ließ der Digital-Experte wissen: „Das ist schwierig, aber es ist alternativlos.“
In Zukunft sei auch beim „Standard“ mit Online-Inhalten zu rechnen, für die man bezahlen müsse, ließ Medienredakteur Harald Fidler durchblicken. Er ging davon aus, dass es aber „keine Paywall im klassischen Sinn“ geben werde. Frühestens werde es in den nächsten 12 bis 18 Monaten so weit sein.
Zur Diskrepanz zwischen den Generationen beim Mediennutzungsverhalten wies Katharina Schell, Mitglied der APA-Chefredaktion und verantwortlich für digitale Innovation, darauf hin, dass journalistische Angebote enorm flexibel sein müssen, um die jungen Zielgruppen zu erreichen. „Diese werden in fünf Jahren keine Artikel mehr am Handy lesen“, verdeutlichte Schell die rasante Transformation von User-Gewohnheiten. Durch die Vervielfältigung der Kanäle und Nachrichteninhalte habe sich der Medienkonsum grundlegend gewandelt. „Es ist nicht mehr so, dass ich jeden Tag in der Zeitung meine Welt wiederfinde. Ich habe nicht mehr nur eine Heimat, in der ich meine Informationsbedürfnisse stille. Es gibt eine Fragmentierung des Angebots, mit dem sich Medien anfreunden müssen“, so Schell.
„Es gibt eine Fragmentierung des Angebots.“
Katharina Schell, APA
Eine besondere Herausforderung für die Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist laut Heinz Lederer, Mitglied des ORF-Stiftungsrates, der sogenannte „Second Screen“, TV-Konsumenten, die sich nebenbei auf dem Smartphone oder Tablet – also einem zweiten Bildschirm – mit anderen Inhalten beschäftigen. Verstärkt partizipative Möglichkeiten in das Programm einzubauen und so zusätzliche Kanäle zu nutzen, sei aus Sicht von Lederer eine Chance, etwa „dass man seine Meinung mehr durch Voting einbringen kann“.
Die Expertenrunde war sich einig darüber, dass das Interesse an Nachrichten auch in Zukunft groß sein wird, wie auch die Ergebnisse des Digital News Report nahe legen. Die wahrscheinlich wichtigste Frage sei aktuell die der Monetarisierung.
Das Nachrichtenangebot müsse für die Konsumenten mehr zum Verständnis beitragen, dass diesbezüglich nur knapp 43 Prozent zufrieden sind, ist laut Grasl zu wenig: „Wenn wir Geld verdienen wollen, müssen wir diesen Wert ausbauen.“ Es werde dazu auch Mut brauchen, auf „spitzen Content“ für spezifische Zielgruppen zu setzen, war Lederer überzeugt: „Dazu braucht es Spitzenjournalismus, der auch gut bezahlt werden muss.“ Darüber hinaus ist laut Fidler Kundenbindung ein entscheidender Faktor. Mit Kanälen wie WhatsApp und Newsletter könne hier viel erreicht werden. „Viele klicken, weil sie mitreden und im Forum posten wollen“, so der Medienredakteur. Ein „konservatives Land“ wie Österreich, mit „einer ganz tief verwurzelten Art, sich zu informieren“ und einer sehr hohen Abo-Rate, stehe, so Trappel, vor der Herausforderung „ein neues Modell zu entwickeln, das alte aber nicht zu verlieren.“ Für die APA als Nachrichtenagentur ergebe sich durch die neuen Anforderungen der Medien die Notwendigkeit, Content noch diversifizierter und „punktgenau so zu liefern, dass ihn Kunden verwenden können“, erklärte Schell.
„Dazu braucht es Spitzenjournalismus, der auch gut bezahlt werden muss.“
Heinz Lederer, ORF-Stiftungsrat
Österreich-Ergebnisse des Digital News Report 2019
Der Reuters Institute Digital News Report untersucht weltweit das Mediennutzungsverhalten und wurde 2019 zum 8. Mal präsentiert. Für die Untersuchung wurden 75.000 Personen in 38 Ländern befragt. Basis der Österreich-Ergebnisse ist eine Befragung von 2010 Österreicherinnen und Österreichern, die zumindest einmal im Monat Nachrichten konsumieren. Befragungszeitraum war Jänner und Februar 2019.