EANA-Konferenz: Was beschäftigt die europäischen Nachrichtenagenturen?
Vertreterinnen und Vertreter von 32 Nachrichtenagenturen trafen einander Anfang Mai zur Frühjahrskonferenz der European Alliance of News Agencies (EANA) in Brüssel. EANA-Präsident und APA-CEO Clemens Pig gewährt im APA-Value-Interview Einblicke in die Themen und Debatten rund um die Medien- und Agenturwelt Europas.
APA-Value: Anfang Mai fand in Brüssel die Frühjahrskonferenz der European Alliance of News Agencies (EANA) statt. Was beschäftigt die Nachrichtenagenturen Europas derzeit am stärksten?
Clemens Pig: Die europäische Agentur-Allianz besteht aus 32 Mitgliedern quer über den Kontinent. Das sind staatliche, private, nationale und internationale Nachrichtenagenturen mit unterschiedlichen Anforderungen und Entwicklungsfeldern. Gerade deshalb ist die EANA als Ort des Dialogs und Erfahrungsaustauschs so wichtig. Trotz aller Unterschiede in den Agenturmodellen sind die externen Einflussfaktoren recht ähnlich und reichen von der hohen Inflation, dem geänderte Mediennutzungsverhalten, Desinformation und Fake News in den sozialen Netzwerken bis zu Cyber Security und Copyrights. Das overall dominante Konferenzthema war natürlich Artificial Intelligence mit den vielfältigen Auswirkungen auf unsere Redaktionen und auf unser Geschäft als Agenturen.
Ad Künstliche Intelligenz: Wo sehen Sie aktuell die größten Chancen und worin die größten Herausforderungen für Medien und konkret für den Agenturjournalismus?
Ich beginne bei diesem Thema zunächst mit den massiven Risiken: Eine unkontrollierte generative AI kann zum Superspreader für Fake News werden und damit ganze demokratische Gesellschaften und deren Meinungsbildungsprozesse schwer beschädigen. Welcher Information und Nachricht – egal ob Text, Bild, Video – kann noch vertraut werden? Aus diesem Grund sehe ich eine große Chance für Trusted Content und Trusted AI von professionellen, unabhängigen Medienmarken. Saubere Nachrichten werden zukünftig so wichtig wie sauberes Wasser sein. Die zentralen Fragen lauten: Wie kann Qualitätscontent von Medien für die Userinnen und User sicher authentifiziert werden? Welche Gütesiegel gibt es? Wie können Desinformation und Fake News enttarnt werden? Wie können Medieninhalte in diesem Zusammenhang auch wirtschaftlich geschützt werden? Ich sehe Agenturen und Medien im AI-Zeitalter als Leuchttürme der zuverlässigen und faktenbasierten Informationsvermittlung und Nachrichtengebung.
Wie kann man den sicheren, verantwortungsvollen und den redaktionellen Standards entsprechenden Umgang mit generativen AI-Technologien sicherstellen? Gibt es Ideen oder bereits konkrete Pläne?
Es gibt hier eine Reihe von Maßnahmen. Die wichtigste heißt Transparenz: Wir müssen verstehen, wie diese Technologien funktionieren, damit wir sie gesamthaft einordnen können. Transparenz bedeutet auch, als Agentur oder Medienunternehmen eine klare Governance im Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu haben. Die APA verfügt bereits seit Längerem über eine eigene Richtlinie zum verantwortungsvollen Einsatz von AI. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, dass wir im Basisdienst keine AI-generierten Bilder anbieten oder unsere Inhalte nicht für das Training von AI von externen Anbietern zur Verfügung stellen. Weiters geht es um Ausweispflichten: Beinhaltet ein Text auf Basis von strukturierten Daten Elemente von Künstlicher Intelligenz? Demgegenüber stehen Anwendungen, die Redaktionen massiv entlasten können, beispielsweise bei Beschlagwortungen oder Kürzungen von Texten. Es gilt, das richtige Augenmaß zu finden.
Mit dem AI Act will die EU-Kommission einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Europa schaffen. Welche konkreten Punkte sollten aus Agentursicht darin verankert sein und weshalb?
Generell ist festzuhalten, dass die dringend notwendige Regulatorik für dieses Thema sehr oder zu spät kommt. Aus Sicht der Agenturen lauten die dringenden Fragen: Wie werden unsere professionellen Inhalte technologisch und wirtschaftlich geschützt? In welche Pflicht werden die großen Plattformen genommen? Was bedeutet Copyright in der AI?
Mit Věra Jourová, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, trat eine namhafte Gastrednerin bei der EANA-Konferenz auf. Was waren ihre Botschaften?
Zunächst freue ich mich sehr, dass wir mit Věra Jourová erstmals eine hohe Repräsentantin der Europäischen Kommission auf einer EANA-Konferenz begrüßen konnten. Der laufende Austausch ist sehr wichtig, um das Wissen und Verständnis über das Agenturgeschäft zu erhöhen und zu schärfen. Das ist ganz bestimmt gelungen. Die stellvertretende Kommissionspräsidentin begreift Nachrichtenagenturen als Key Player der europäischen Medienlandschaft. Zum Thema AI sehe ich seitens Věra Jourová den Versuch, den Einsatz der Technologie in Einklang mit dem Schutz der Userinnen und User zu bringen. Wie dieser Schutz konkret aussehen soll und ob er auch die Medien- und Agentur-Industrie umfasst, ist derzeit für mich offen. Jedenfalls haben wir seitens EANA die notwendigen Maßnahmen skizziert. Auf der Zeitachse muss man dennoch sehen, dass wir aus uns selbst heraus wesentlich früher, nämlich jetzt, aktiv werden müssen: eine Governance formulieren, die eigenen Inhalte schützen, Felder über den sicheren Einsatz von AI definieren, in die Kooperation gehen.
Sie machen sich seit Jahren für Kooperationen stark. Welche gemeinsamen Initiativen oder Projekte setzen Nachrichtenagenturen derzeit? Wo steht man mit der Vision einer European NewsTech-Allianz?
Innovation und Kooperation sind unsere Lebensversicherung in diesem dramatisch transformierenden Umfeld. Niemand ist mehr in der Lage, die anstehenden Themen alleine zu lösen. Agenturen sind von ihrem Geschäftszweck her Kooperationsplattformen und es liegt in ihrer DNA, gemeinsame Lösungen und Services zu organisieren. Das ist moderner und notwendiger denn je. Ein wichtiges Kooperationsprojekt auf Ebene der Agenturen ist der gemeinsame Newsroom in Brüssel zur Stärkung einer pluralistischen und faktenbasierten Berichterstattung über Europa. In Brüssel selbst haben wir innerhalb der Gruppe der staatlich unabhängigen Nachrichtenagenturen ein Innovationsprojekt lanciert, bei dem wir AI mit unseren redaktionellen Diensten trainieren und neue Geschäftsmodelle auf internationaler Ebene starten wollen: Trusted Content und Trusted AI. Ein erster Schritt in eine europäische NewsTech-Allianz, wo wir Inhalte und Technologie zusammenbringen.
Was sind kurz zusammengefasst die wichtigsten Erkenntnisse, die Sie aus der Konferenz mitnehmen?
Es ist aktuell besonders wichtig, viel im Austausch zu sein, voneinander zu lernen und zu erkennen, dass gemeinsam schnellere und bessere Resultate erzielt werden. Und derartige Verbände oder Allianzen sind ja immer auch so etwas wie Selbsthilfegruppen: Wir alle haben dieselben Themen, man ist nicht alleine mit diesen Themen.
About EANA:
Die European Alliance of News Agencies (EANA) dient der Kooperation sowie dem Informations- und Erfahrungsaustausch europäischer Nachrichtenagenturen. Aufgabe der EANA ist es, die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder in allen relevanten Bereichen zu vertreten. Die EANA hat es sich zum Ziel gesetzt, die Tätigkeit der Mitglieds-Nachrichtenagenturen als Provider von „unbiased news“ sicherzustellen und weiter voranzutreiben. Die EANA unterstützt die Prinzipien der Pressefreiheit und fördert ihre Mitglieder dabei, stets auf Grundlage dieser Prinzipien zu arbeiten. Aktuell sind 32 Nachrichtenagenturen aus ganz Europa EANA-Mitglied.
EANA – The European Alliance of News Agencies