Exil-Journalist Muratow bei Konferenz in Wien
Exil-Journalist Muratow bei UNO-Konferenz in Wien

Wiener Konferenz: Über 50 Staaten bekräftigen Schutz von Journalist:innen

Die Wiener Konferenz zum zehnten Jahrestag des Aktionsplans der Vereinten Nationen fand Anfang November in Wien statt. Friedensnobelpreisträger Muratow nahm teil und rief zum Kampf gegen Staatspropaganda auf.

Dutzende Staaten haben sich bei einer UNO-Konferenz Anfang November in Wien zu einem besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten bekannt. Wie das Außenministerium der APA mitteilte, unterstützten „mehr als 50 Staaten“ eine entsprechende Erklärung. Stargast war Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow, der zum Kampf gegen Staatspropaganda aufrief. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) versprach bei der Eröffnung, dass auch Österreich seine „Hausaufgaben“ machen werde.

Vertreter von 65 Staaten und 200 NGOs nahmen an der vom Außenministerium, der UNO-Kulturorganisation UNESCO und dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte ausgerichteten Konferenz teil. Anlass war der zehnte Jahrestag des UNO-Aktionsplans für die Sicherheit von Journalist:innen, der maßgeblich auf Bemühungen Österreichs zurückgeht.

„Die größte Bedrohung für Journalisten ist Propaganda“, sagte Muratow. Er schilderte in seinem Referat eindrücklich die Lage der Medien in seiner Heimat Russland. „Der Genozid an den Medien ist abgeschlossen“, bilanzierte der Chef der verbotenen unabhängigen Zeitung Nowaja Gaseta. Stattdessen gebe es das „Gift“ der von staatlichen Medien wie RT verbreiteten Propaganda, so Muratow, der in diesem Zusammenhang ausführlich die abscheulichen Kindermord-Fantasien des RT-Moderators Anton Krassowski zitierte.

„Die größte Bedrohung für Journalisten ist Propaganda.“

Exil-Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow

Muratow dankte in seiner Rede europäischen Staaten dafür, vertriebene russische Journalistinnen und Journalisten aufgenommen zu haben. Doch sei es „unangenehm zu hören, dass schon zu viele gekommen sind und sie zurück gehen sollen“. Stattdessen sollte ein Fonds eingerichtet werden, um Journalisten im Exil bei ihrer Arbeit zu unterstützen, benannt nach der getöteten russischen Journalistin Anna Politkowskaja. Journalist:innen müssten nämlich weiter das tun, was sie können, nämlich „Fakten und Gedanken sammeln“. Selbst wenn es scheine, dass man nichts ändern könne, habe man die Verpflichtung, weiterzumachen.

Raab sprang bei der Eröffnung für den an Corona erkrankten Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ein. Dieser hob in einem schriftlichen Statement die Bedeutung von Medien hervor und betonte: „Nicht umsonst haben wir ‚Protecting media to protect democracy‘ als Motto für die Wiener Konferenz gewählt. Denn ohne freie Medien gibt es keine Demokratie.“.

„Starke Demokratien haben keine Angst vor starken Meinungen, im Gegenteil. Demokratien werden stärker, wenn Informationen frei geteilt werden können“, sagte auch Raab. Sie beklagte, dass sich die Lage der Pressefreiheit in den vergangenen Jahren in einer Reihe von Staaten verschlechtert habe. „Wir dürfen und werden nicht zulassen, dass dieser Trend weitergeht“, so Raab, ohne Österreich zu nennen. Dieses war heuer im Pressefreiheits-Index der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) von Platz 17 auf 31 abgestürzt. Sie sagte aber, dass man die Pressefreiheit auch in Österreich nicht als gegeben ansehen dürfe und Politiker:innen „hart daran arbeiten“ müssten, sie „zu erhalten und zu stärken“. „Wir müssen auch unsere Hausaufgaben machen“, sagte Raab mit Blick auf die jüngst vorgestellten Eckpunkte für eine Medienreform. International kündigte sie eine Spende von 150.000 Euro für ein UNO-Medienprojekt für Frauen in Afghanistan an.

UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay zog in einem Video-Statement aus Paris eine „gemischte“ Bilanz des vor zehn Jahren beschlossenen UNO-Aktionsplans. Immer noch würden „viel zu viele Journalisten“ getötet, doch sei es gelungen, die Straflosigkeit etwas zu verringern. UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk forderte die Staaten von Genf aus auf, Journalist:innen besser vor Repressalien zu schützen. Konkret verlangte er ein Moratorium für den Export, Verkauf und Einsatz von digitalen Überwachungsmitteln wie Pegasus.

Angesichts der Teilnahme von gefährdeten Journalist:innen aus aller Welt – von Kolumbien bis Pakistan – waren die Sicherheitsvorkehrungen im Palais Niederösterreich stark. Menschengroße Kartonaufsteller mit Porträts getöteter Journalist:innen – etwa des Slowaken Ján Kuciak oder des saudiarabischen Bloggers Jamal Khashoggi – unterstrichen die Notwendigkeit dieser Vorkehrungen. Zwischen 2006 und 2021 wurden mehr als 1.200 Journalistinnen und Journalisten getötet, wobei die Verantwortlichen in 87 Prozent der Fälle nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

Bei der Konferenz kamen vor allem Medienvertreter:innen zu Wort, darunter auch APA-Geschäftsführer Clemens Pig in seiner Rolle als Präsident der Europäischen Agenturallianz EANA. Er beklagte, dass die Bedeutung von Nachrichtenagenturen für das Mediensystem „in jedem Plan unterschätzt“ werde. Kaum jemand kenne die Nachrichtenagenturen, obwohl zwei Drittel der täglichen Medienberichterstattung direkt oder indirekt auf sie zurückgehe. Doch seien weltweit nur 20 der 144 Nachrichtenagenturen unabhängig. „Es gibt also nur sehr wenige unabhängige Nachrichtenagenturen mit maximaler Wirkung auf das Mediensystem. Das ist ein Problem“, so Pig, der in einer Gesprächsrunde unter anderem mit dem Meta-Manager Iain Levine darauf drängte, die IT-Riesen für die Nutzung von Medieninhalten zur Kasse zu bitten. Nur so könnten Medien nämlich weiterhin ihre Arbeit machen.

„Es gibt also nur sehr wenige unabhängige Nachrichtenagenturen mit maximaler Wirkung auf das Mediensystem. Das ist ein Problem.“

EANA-Präsident und APA-CEO Clemens Pig

In einer „Pledging Session“ berichteten hochrangige Vertreter:innen der teilnehmenden Staaten, was sie konkret für einen besseren Schutz von Journalist:innen tun wollen. Gleich zum Auftakt zeigte sich die Problematik dieses Unterfangens. Erster Redner war nämlich – als einziger teilnehmender Chefdiplomat – der serbische Außenminister Ivica Dačić. Während es im RSF-Report zu Serbien heißt, dass Journalist:innen „regelmäßig politischen Angriffen seitens der Regierungselite ausgesetzt sind“, erläuterte Dačić mehrere Minuten lang, wie „wichtig“ seinem Land die Medienfreiheit sei.

Bereits zuvor hatten Expert:innen in einer vorbereitenden Konferenz über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Journalist:innen diskutiert. Damit wurde an den Prozess angeknüpft, der vor über einem Jahrzehnt zum Beschluss des Aktionsplans führte. Das auch in Wien ausgearbeitete achtseitige Dokument wurde im April 2012 vom UNO-Leitungsgremium (Chief Executives Board) angenommen und später auch von der UNO-Generalversammlung, dem Menschenrechtsrat sowie der UNESCO begrüßt.

Zum Video des Panels „Implementation of the UN Plan of Action in the Digital Age – Tackling new Challenges“