Medientage: Blicke in die digitale Zukunft
Wie lässt sich der digitale Wandel gewinnbringend nutzen? Laut dem Panel „Transformation und Technik“ bei den hybrid abgewickelten Österreichischen Medientagen am 22. und 23. September 2021 gehören Kooperationen und Offenheit für Weiterentwicklungen zu den Schlüsselfaktoren.
Praktische Einblicke, wie datengetriebener Journalismus mit KI den Redaktionen und UserInnen neue Themenwelten eröffnet, gab Katharina Schell, Mitglied der APA-Chefredaktion und Digitalexpertin, in einer „Breakout Session“.
Die Medienbranche befindet sich in einem großen Transformationsprozess. Um die technologischen und digitalen Umwälzungen bestmöglich zu bewältigen, empfiehlt es sich, die Mitarbeitenden einzubinden und unternehmensübergreifend Entwicklungen voranzutreiben, waren sich die Diskutantinnen und Diskutanten der Debatte „Transformation und Technik“ bei den Österreichischen Medientagen einig.
Hochtechnologisches Agenturgeschäft
„Medienhäuser gewinnen das Match der digitalen Zukunft nicht, wenn sie technische Systeme ausschließlich selbst entwickeln“, sagte Clemens Pig, Vorsitzender der APA-Geschäftsführung. Dabei sei die APA mit ca. 150 MitarbeiterInnen im IT-Bereich für einen österreichischen Medienbetrieb „sehr breit aufgestellt“, was auch daran liege, dass „Agenturjournalismus schon immer ein hochtechnologisches Gewerbe“ gewesen sei. Dadurch könne man zwar für sich selbst entwickeln und IT exportieren – etwa das hauseigene Redaktionssystem oder im Bereich der automatisierten Texterstellung –, doch gehe die Nachrichtenagentur auch Partnerschaften mit weltweiten Systemherstellern ein. „Wir wollen nicht unser eigener Flaschenhals sein“, so Pig.
Mit Robotern zur Kernkompetenz
„Journalismus ist technologischer und experimentiergetriebener denn je“, stellte Martina Salomon, Chefredakteurin des „Kurier“ fest. Derzeit lerne man mit technischen Tools zu verstehen, welche Artikel besonders gut funktionieren, experimentiere mit Transkriptionstools oder arbeite mit der APA im Bereich des „Roboterjournalismus“ zusammen.
Dabei werden Systeme mit menschlich vorgefertigten Texten trainiert, um im besten Fall automatisch Meldungen auf Basis strukturierter Daten zu erstellen, erklärte Pig. Das helfe dabei, dröge Tätigkeiten loszuwerden und Journalistinnen und Journalisten für ihre Kernkompetenz freizuspielen oder auch neue Stories und Grafiken anzubieten, für die zuvor schlichtweg keine Zeit gewesen sei. „Man muss keine Angst vor Roboterjournalismus haben. Er wird das große Meinungsstück nicht ersetzen“, bestätigte Salomon.
„Wichtig ist, dass neue Features nicht zulasten des Kerngeschäfts gehen, dann ist die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden dafür hoch“, ergänzte Nicole Meier, Chefredakteurin der Keystone-SDA. Redakteurinnen und Redakteure werden in der Breite nur für Dinge geschult, die sie unbedingt benötigen.
Zum Video: Podiumsdiskussion „Transformation und Technik“
Wie aus Daten Geschichten werden
Einblicke in die Praxis der vermeintlich komplizierten Welt des Datenjournalismus teilte Katharina Schell, Mitglied der APA-Chefredaktion und Digitalexpertin, im Gespräch mit Christian Kneil, Newsmanager und Leiter APA MultiMedia, in der Breakout Session „Künstliche Intelligenz (KI) in der Kommunikation“: Warum Roboter auch in Zukunft keine Pressekonferenzen besuchen werden, welches Potenzial KI für die Arbeit in Redaktionen und Unternehmen hat – und wie sie hilft, verlorene Katzen wiederzufinden.
„In der APA sitzen keine Roboter, und sie werden in den Redaktionen auch in Zukunft keine Arbeitsplätze ersetzen“, schickte Schell voraus. Ganz im Gegenteil – KI eröffne neue Möglichkeiten und schaffe neue Rollen. So auch im neuen APA Ressort „Data + Graphics“, in dem ein interdisziplinäres Team aus EntwicklerInnen, InfografikerInnen und DatenanalystInnen an innovativen datenjournalistischen Produkten arbeitet. „Um zu erkennen, welche Geschichten sich in den gesammelten Daten verstecken – ob diese nun von einer Pressekonferenz oder einem Datenfeed stammen – braucht es immer den journalistischen Blick und das Wissen über die Welt“, so Schell.
Täglich grüßt der Textassistent
„Vom simplen Lückentext, der mittels Algorithmen-Konfiguration mit Daten gefüttert wird, bis hin zu komplexen Machine Learning-Texten – wenn wir von KI sprechen, dann meinen wir immer Sprachmodelle“, stellte die stellvertretende Chefredakteurin klar.
Wie KI konkret dabei hilft, den Workflow in Redaktionen effizienter zu machen, zeigte sie anhand des Beispiels der Wahlberichterstattung: „Unsere Entwickler und Datenjournalisten haben einen Datensatz derart programmiert, dass die weitere Arbeit mit den von der Wahlbehörde gelieferten Informationen nun deutlich einfacher ist. Wir sehen jetzt auf einen Blick, wo welche Partei Stimmen dazugewonnen oder verloren hat und ersparen uns das langwierige und fehleranfällige Heraussuchen von Zahlen aus Tabellen“, erklärte Schell. Eine Arbeit, die WahlberichterstatterInnen bisher nach einem langen Arbeitstag nachts zu erledigen hatten. In einem nächsten Schritt erhält die Redaktion einen automatisiert generierten Textvorschlag, der als Basis für den eigentlichen Artikel dient. „Dieser sogenannte APA Text Assistant ist eine der Hauptstrategien, wie wir KI in unserem Newsroom einsetzen“, fasste Schell zusammen.
Auch in der täglichen Corona-Berichterstattung sei dieser Textassistent eine große Hilfe: „Im Frühling 2020 hat uns das Finden, Analysieren und Interpretieren von Corona-Daten viele Stunden gekostet. Heute werden ausgewählte Daten in unseren APA Text Assistant importiert, entsprechend interpretiert und wir erhalten einen ersten Textvorschlag. Davon ausgehend und je nachdem, welche Zahlen gerade relevant sind, schreiben wir dann die eigentliche Story. Das erspart uns mehrere Stunden Arbeit pro Tag“, erklärte Schell.
Diese Formate müssen jedoch nichts mit trockenen Statistiken zu tun haben, so Schell: „Man kann aus den Daten auch sehr emotionale Geschichten machen, die für einen ‚Aw-Effekt‘ sorgen“. Ein Beispiel: Der Twitter-Account „Lost Pets Vienna“, auf dem durchaus emotionale Tweets über entlaufene Haustiere veröffentlicht werden – und zwar automatisiert. Die Daten kommen von der Stadt Wien, Tonalität und Format aus dem Datenjournalismus-Team, das Ergebnis: LostPetsVienna
KI-Potenziale in der Unternehmenskommunikation
Auch für Unternehmen eröffne KI-gestützte Content-Produktion ganz neue Möglichkeiten. Denn diese müssten vermehrt der Herausforderung gerecht werden, dass UserInnen immer mehr hochwertigen und auf sie zugeschnittenen Content verlangen. Wo Zahlen und Daten vorhanden, die passenden Ressourcen im Unternehmen jedoch rar sind, könne KI dabei helfen, neue und einfach zu generierende Formate zu entwickeln, so Schell. Intelligente Textassistenten könnten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Beispiel regelmäßig Textvorschläge aus großen Datenmengen, etwa für Geschäftsberichte oder Reports, liefern.
Zum Video: Breakout Session „Künstliche Intelligenz (KI) in der Kommunikation“