Wie sich Youtube-Journalismus und etablierte Medien sinnvoll ergänzen
Forscher: Österreich bei Kooperationen "weit hinterher"
Wie Qualitätsjournalismus auf der vor allem auf Unterhaltung ausgelegten Online-Videoplattform Youtube funktioniert, hat sich ein Team unter der Leitung von Dennis Lichtenstein von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesehen. Die Youtuberinnen und Youtuber sehen sich der Studie zufolge als Journalismus-Modernisierer und weniger als Ersatz etablierter Medien, sagte Lichtenstein zur APA. Beide Seiten würden jedenfalls von Kooperationen profitieren. Die sind hierzulande aber kaum in Sicht.
Rund 50 im weiteren Bereich der gesellschaftspolitischen Berichterstattung „relevante Youtuber“ in Deutschland hat der Forscher vom ÖAW-Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung und seine KollegInnen ausfindig gemacht. Die nun im Fachmagazin „Journalism Studies“ erschienene Studie zum Rollenverständnis journalistischer Youtuber fußt auf Interviews mit 16 von ihnen. Sie heben sich in ihrem Anspruch deutlich von sonstigen politisch gefärbten Inhalten auf der Videosharing-Plattform ab. Dort tummeln sich nämlich auch sehr viele „klassische Meinungs-Youtuber, Rechtspopulisten, usw.“, sagte Lichtenstein.
Qualitätsjournalismus-Youtuber „haben erstmal das Problem, dass sie selbst total in der Nische stecken“, und sich mit dem Generieren größerer Aufmerksamkeit schwertun. In Deutschland wurden mit dem von privaten Rundfunkorganisationen gegründeten „Studio71“ oder dem von öffentlich-rechtlichen Sendern eingerichteten „Funk“-Netzwerk Verbindungen zwischen etablierten Medien und Youtubern aufgebaut. „Sie bekommen auf diese Weise größere Redaktionsstrukturen und haben auch untereinander Vernetzungsmöglichkeiten“, sagte der Wissenschafter.
Das bringt ihnen mehr Publikum und Professionalität sowie den Sendeanstalten im besten Fall den Zugang zu neuen Ideen und Publikumsschichten, die großteils vom linearen TV ins Internet abgewandert sind. Diese Kooperationen bestehen dann mitunter für ein paar Jahre. So kommen teils Youtuber ins TV-Programm, aber auch Inhalte der Sender finden im Internet größere Verbreitung. „Das ist eigentlich ein ganz gutes Erfolgsrezept und gleichzeitig eine Fläche zur Modernisierung von Journalismus“, konstatiert Lichtenstein.
Auf Social Media funktioniert letzterer nämlich in sehr abgegrenzten, tendenziell jugendlicheren Zielgruppen. Viele dieser Youtuberinnen und Youtuber fokussieren stark auf bestimmte Themen, wie Umweltpolitik im weistesten Sinne oder Nachrichtenüberblicke, sprechen Zuseherinnen und Zuseher emotional und in einer spielerischen Mischung aus Information und Entertainment an. Außerdem gehört ein Stück weit in den privaten Bereich gehende Selbstdarstellung und Dialog mit dem Publikum dazu. Diese Form des Journalismus muss zudem dafür sorgen, dass das Publikum die Beiträge online weiter verbreitet. Lichtenstein: „Das ist eine aktivierende Form des Journalismus, die mehr auf Meinungsbildung abzielt als wir das von klassischen Formaten kennen.“
Am besten funktioniert Youtube-Qualitätsjournalismus der Studie zufolge, wenn die neuen MedienmacherInnen in öffentlich-rechtliche Netzwerke eingebunden sind, so ein Studienergebnis. Das gibt es etwa auch in der Schweiz, nicht aber in Österreich. „Das ist ein medienpolitisches Problem“, so der Wissenschafter, der hervorhebt, dass hierzulande der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen online stark eingeschränkt ist.
Das sei auch deshalb problematisch, weil viel an Meinungsbildung mittlerweile über Social Media läuft, wo auch als Journalistinnen und Journalisten getarnte Verschwörungstheoretiker und Co großen Zustrom haben. Hier fehle dann mitunter auch „eine wichtige Brücke für Diskurse, die wir im Online-Bereich erleben“, sagte Lichtenstein: „Da ist Österreich tatsächlich weit hinterher. Das muss man so sagen.“ Offenbar sei hier auch der politische Wille „darauf ausgerichtet, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Online-Bereich klein zu halten“.
Service: Zu den Ergebnissen der Studie