(Un-)verständliche Wissenschaft
„Die Wissenschaft ist so präsent wie wohl noch nie.“ Mit diesen einleitenden Worten von APA-Redakteur Christian Müller ging das diesjährige Event der Wissenschaftsplattform APA-Science unter dem Titel „(Un-)verständliche Wissenschaft: Wie man komplexe Inhalte unters Volk bringt“ Mitte November über die digitale Bühne.
Gerade im Ausnahmejahr 2020 lesen, sehen und hören wir allerorts, wie Virologinnen, Epidemiologen, StatistikerInnen und Co. uns Pandemie, Prävalenz, 7-Tage-Inzidenz, Aerosole und Antikörper, PCR oder RNA erklären. Doch auch abseits von Corona bemühen sich mehr und mehr ForscherInnen der verschiedenen Disziplinen um eine verständliche Vermittlung und Darstellung ihrer Inhalte. Etwas „Jahrmarktzauber“ darf es auch sein, wenn es um die Grundlegung wissenschaftlichen Interesses geht, so der Tenor bei der APA-Science-Diskussionsrunde.
„Quantenphysik ist nicht unverständlich, sondern nur unbegreifbar.“
Quantenphysiker Markus Arndt, Universität Wien
Mit einem interaktiven Quantenforschungssimulator für SchülerInnen, virtuellen Laborführungen oder mit dem direkten Zeigen von Experimenten – inklusive dem vielen notwendigen Schrauben und Basteln – erklärt Arndt die den Alltagserfahrungen häufig zuwiderlaufenden Konzepte und Ideen. Auch wenn die oft aufwendige Vermittlungsarbeit „nicht extra honoriert“ wird, seien vor allem junge ForscherInnen motiviert, dies zu tun, „weil es eigentlich Spaß macht“. Die Motivation sei da, die Zeit oft eher nicht.
„Wichtig ist die Offenheit zur Wissenschaft und das Bewusstsein: ‚Ich bin ein Teil der Wissenschaft und die Wissenschaft ist Teil meiner Umgebung‘.“
Gerlinde Heil, Gründerin und Leiterin der Wissenschaftsvermittlungsinitiative „Science Pool VIF“ und des Museums der Nerdigkeiten
Der Jahrmarkt sei ein wichtiges Hilfsmittel in der verständlichen Vermittlung von Wissenschaft und Forschung bei den jüngeren Zielgruppen. Mit dem Ziel, eine positive Haltung gegenüber Wissenschaft zu generieren, schafft Heil den Rahmen für kreative Projekte, die es Kindern und Jugendlichen ermöglichen, Teil der „Show“ zu sein. Dabei geht es um das aktive Erzeugen von Fragen und die Suche nach Antworten, also die Vermittlung von „(Vor-)Wissenschaft“.
„Mit dem Ansinnen, für verschiedene Zielgruppen Informationen auf verschiedenen Komplexitätsniveaus – bis hin zu „Simplicity till it hurts“ – anzubieten, sind wir nicht immer offene Türen eingerannt.“
Michael Hlava, Leiter Kommunikation Austrian Institute of Technology (AIT)
Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatorinnen wissen um die notwendige Vereinfachung von Forschungsarbeiten für die Wissenschaftsvermittlung. Jede sprachliche Veränderung sei jedoch auch zu einem gewissen Grad eine inhaltliche Veränderung, der nicht alle ForscherInnen im gleichen Ausmaß zustimmten, weiß Hlava aus seiner Erfahrung beim AIT. Ihr Bewusstsein für die verständliche Aufbereitung von Projekten hätten die ForscherInnen allerdings bereits im Rahmen von Förderanträgen in den vergangenen Jahren sehr geschärft.
„Es geht um zielgruppengerechte Sprache – das bedeutet nicht, dass es besonders einfach sein muss.“
Christian Kneil, Leiter APA-MultiMedia und Newsmanager
Mit dem Nachrichten-Dienst „TopEasy“ leistet die APA in Kooperation mit dem Grazer Übersetzungsunternehmen capito vielfach Pionierarbeit für ein besseres Verständnis komplexerer Texte. Mittlerweile bieten zahlreiche Medien Nachrichten in leicht verständlicher Sprache an. Auch im oft hochkomplexen Wissenschaftsbereich lässt sich das Prinzip anwenden – man müsse sich genau überlegen, was es zu erzählen gibt, Abstriche bei der Länge des Beitrages machen, die Geschichte insgesamt anders schreiben und Begriffe noch stärker erklären – oft auch mit Bildern und Grafiken.
„Es braucht die Begeisterung von der Person, die Wissenschaft vermitteln will.“
Petra Siegele, Leiterin des Bereichs Public Science im Österreichischen Austauschdienst (OeAD)
Wie im journalistischen Bereich brauche es auch in Bildungseinrichtungen viel Engagement und Ausdauer, um Wissenschaft und Forschung verständlich aufzubereiten. Als „unbezahlbares“ Vehikel habe sich der direkte Kontakt zwischen SchülerInnen und WissenschafterInnen erwiesen. Eine Begegnung auf Augenhöhe führe niederschwellig weg vom Bild des „Mannes mit dem langen Bart“ im Forschungslabor. Ausreichend honoriert würden diese Bemühungen durch das vorherrschende Wissenschaftssystem allerdings noch nicht.