Mediennutzung im internationalen Vergleich
Die Österreich-Zahlen des „Reuters Institute Digital News Report“ (DNR) wurden im Juni im virtuellen Rahmen einer von der Universität Salzburg und der APA organisierten Online-Veranstaltung präsentiert. Eine Expertenrunde diskutierte im Anschluss die Ergebnisse.
Die digitale Nachrichtennutzung steigt in Österreich kontinuierlich an, erklärte Stefan Gadringer von der Universität Salzburg, die bei der Erstellung und Auswertung des Digital News Report als Partner des Reuters Institute fungiert. „Erstmals wurde auch die 10-Prozent-Marke bei der Bezahlung für Online-Nachrichten geknackt“, so Gadringer, „es zeigt sich eine leichte Tendenz Richtung stärkerer Bezahlfreudigkeit.“ Im Vorjahr haben 9,1 Prozent der Befragten Geld für News aus dem Web ausgegeben, 2020 waren es 10,6. Getrieben wird diese Entwicklung von jüngeren Bevölkerungsgruppen.
Für 32 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher ist das Fernsehen die Hauptnachrichtenquelle, für 16 Prozent Radio und für 14,4 Prozent gedruckte Zeitungen. Auf den Plätzen vier und fünf liegen Websites bzw. Apps von Zeitungen und soziale Netzwerke. Trotz rückläufiger Tendenz beim Print-Angebot liegt Österreich hier nach wie vor in einer guten Position. Im globalen Vergleich ist bei nur 5,1 Prozent der Befragten die gedruckte Zeitung die Hauptnachrichtenquelle.
Beim Vertrauen in Nachrichten zeigt sich – nachdem dieses in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken war – ein Anstieg: von 38,7 Prozent im Jahr 2019 auf 39,7 Prozent 2020. Im internationalen Vergleich befindet sich Österreich damit am Ende des vorderen Drittels. Zugewinne gab es unter anderem bei den 18- bis 24-Jährigen, bei Gelegenheitsnutzerinnen und -nutzern sowie Personen mit hohem formalem Bildungsgrad. Vertrauensverluste wurden in der Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen verzeichnet.
Bemerkenswertes bei „Klimawandel“
Zum ersten Mal wurde auch das Thema Klimawandel in den Report aufgenommen. Hier zeige sich ein „bemerkenswertes Bild“, sagte Gadringer. 29,4 Prozent der Befragten sehen den Klimawandel als „äußerst schwerwiegendes Problem“, international sind es um gut zehn Prozentpunkte mehr. Um sich über den Klimawandel zu informieren, spielen traditionelle Medien, vor allem das Fernsehen sowie gedruckte Zeitungen, eine größere Rolle als bei anderen Themen.
Anne Schulz vom Reuters Institute berichtete darüber hinaus, dass sich zu Beginn der Coronakrise weltweit ein starker Anstieg der Fernsehnutzung gezeigt habe, auch die Nutzung von sozialen Netzwerken sei etwa im gleichen Ausmaß gestiegen. Insgesamt habe die Pandemie die Nachfrage nach Nachrichten erhöht. „Wir wissen auch aus unseren Daten, dass es in der Coronakrise einen Vertrauensanstieg in die Nachrichtenmedien gegeben hat“, sagte Schulz. In Großbritannien, wo die Datenerhebung weiter läuft, zeige sich, dass sich das Vertrauen wieder auf das Niveau von 2019 einpendle.
Neue Formate nutzen
Auf die Frage, wie traditionelle Medien vom Anstieg digitaler Nachrichtennutzung profitieren können, sprach sich Anna Goldenberg, Redakteurin bei der Wochenzeitung „Falter“, für Kanal-Vielfalt aus. Neben der eigenen Website setze der Falter auch auf Newsletter- und Podcast-Formate. Vor allem jüngere Zielgruppen seien so gut erreichbar. Dass die Mehrheit der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer dafür sei, Falschaussagen von Politikerinnen und Politikern in traditionellen Medien aufzugreifen und richtig zu stellen, sich aber gegen politische Werbung in den sozialen Netzwerken ausspreche, sei für Goldenberg ein positives Signal: „Die Leute wissen noch, es gibt einen Unterschied zwischen traditionellen Medien und Plattformen.“
Hermann Petz, Vorstandsvorsitzender der Moser Holding AG, strich hervor, dass etwa 80 Prozent der Befragten des Digital News Report regionale oder lokale Medien sehr vermissen würden, wenn diese eingestellt würden. „In Österreich gibt es eine sehr starke regionale Identität, und diese bietet eine große Chance, dass wir mit neuen Formaten unsere Audience in der Region halten können“, so Petz. Qualitätsmedien seien „systemrelevant“, das sei ganz besonders in Krisenzeiten ersichtlich, deshalb müsse die Informationsversorgung durch regionale Medien auch im Fokus des öffentlichen Interesses stehen. Ein guter Anknüpfungspunkt für Förderungen ist laut Petz die Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem im journalistischen Bereich.
Journalistische Grundtugenden als Stärke
Konrad Mitschka vom Public Value Kompetenzzentrum des ORF sah in den Studienergebnissen einen Auftrag: Einerseits für den öffentlich-rechtlichen Sender selbst, „mehr im digitalen Bereich zu machen“ und andererseits für die Politik, „dem ORF zu ermöglichen, mehr im digitalen Bereich machen zu dürfen“. „Ich glaube, dass Journalismus stets innovativ bleiben muss und sich immer wieder neu erfinden muss, da die Medien, über die er transportiert wird, auch immer wieder neu sind“, bekräftigte Mitschka, „Ich bin aber froh, wenn die journalistischen Grundtugenden bleiben.“
„Was mir Sorgen macht, ist die Nachrichtenquelle Social Media“, sagte Corinna Milborn, Info-Chefin und Moderatorin bei „PULS 4“, die reichweitenstarken Plattformen hätten gemeinsam, „dass sie alle zwei großen Konzernen gehören, die kein Interesse an ordentlicher journalistischer Arbeit haben“. Die massive Verbreitung von Falschnachrichten und Verschwörungstheorien hänge ursächlich damit zusammen. Wegen der journalistischen Grundtugenden würden Medien mehr Vertrauen genießen und auch als wichtigere Nachrichtenquellen im Gegensatz zu den sozialen Netzwerken wahrgenommen werden.
Der Reuters Institute Digital News Report (DNR) untersucht weltweit das Mediennutzungsverhalten und wurde 2020 zum 9. Mal präsentiert. Für die Untersuchung wurden über 80.000 Personen in 40 Ländern befragt. Basis der Österreich-Ergebnisse ist eine Befragung von 2.005 Österreicherinnen und Österreichern, die zumindest einmal im Monat Nachrichten konsumieren. Befragungszeitraum war Jänner und Februar 2020.
Österreich-Ergebnisse des Digital News Report 2020