Wiener Dateng'schichten

Wiener Dateng’schichten

Was bei der EU-Wahl im Vorjahr unter dem Namen Automated Content seinen Anfang nahm, wurde in den darauffolgenden Monaten Satz um Satz erweitert. Jetzt erhält das Projekt der APA über eine Förderung der Wiener Medieninitiative neue Schubkraft.

Ob Wahlergebnisse, Altersstruktur der Bevölkerung, Temperatur- oder Klimaveränderungen, Anteil an Grünflächen, Nächtigungszahlen, Kindergartenplätze und vieles mehr: Öffentliche Organisationen erfassen statistische Daten in großen Mengen. Ein Gutteil davon ist derzeit nicht oder nicht ausreichend textlich erschlossen. Das liegt weniger am Mangel an Interesse, als an der fehlenden Zeit, um diese Texte zu erstellen. „Redaktionen haben in der Regel nicht die Ressourcen, alle verfügbaren Daten journalistisch zu verarbeiten“, erklärt Katharina Schell aus der APA-Chefredaktion und Leiterin des im Vorjahr gestarteten APA-Projektes Automated Content, „mit ein Grund, weshalb viele Geschichten nicht geschrieben werden. Durch Content Automatisierung sollen neue Inhalte entstehen, deren redaktionelle Erstellung in diesem Umfang bisher nicht möglich war“. Dass die menschliche Leistung dabei keinesfalls zu unterschätzen ist, weiß man bereits seit den ersten automatischen Gehversuchen. Denn bei der Berichterstattung zu Nationalrats- und EU-Wahlen im vergangenen Jahr hat man in der APA bereits umfangreiches Know-how mit automatisiert erstellten Texten gesammelt.

Förderung durch Wiener Medieninitiative

Da kommt das 2019 gegründete Förderprogramm der Stadt Wien „Wiener Medieninitiative“ gerade recht. Seit November wurden 23 von 47 eingereichten Projekten mit Fokus auf qualitativ hochwertigen Journalismus unterstützt. Unter ihnen auch die „Wiener Dateng’schichten“ der APA.

Von big data zu local content

Wenngleich die Algorithmen üblicherweise auf Bereiche wie Sport, Finanzen/Wirtschaft, eventuell auch Wetter oder Wahlen losgelassen werden, bildet das statistische Datenmaterial der Stadt Wien in seiner thematischen Bandbreite ein optimales Betätigungsfeld. „Es deckt viele Aspekte des täglichen Lebens in der Stadt ab, damit können völlig neue Ansätze im Daten-Storytelling erschlossen und lebensnahe Geschichten in Echtzeit generiert werden“, betont Schell, denn wer wisse schon, welche die häufigste Baumart in der Donaustadt ist oder wie viele Hunde in Mariahilf leben und wie viel Platz jeder von ihnen im Verhältnis zur Bezirksfläche hat? Auch ob die Hitze der immer heißeren Sommer noch normal ist oder wie viele Trinkbrunnen im Grätzl zur Abkühlung bereit stehen, sind Informationen von hoher regionaler Relevanz. Sie alle werden durch die Stadt Wien gesammelt und sind in Auszügen im Statistischen Jahrbuch und einzelnen Broschüren als Tabellen und in diversen Formaten im Internet zu finden. Developer und Datenjournalisten und -journalistinnen der APA-Redaktion optimieren diese für den datenjournalistischen Einsatz, schreiben regelbasierte Templates und können damit auf Knopfdruck gebietsspezifische Storys erstellen. Medien, aber auch Kommunen, kommunale Dienstleister und andere öffentliche Institutionen könnten diese Texte von der APA beziehen und BürgerInnen mit regionalen, hyperlokalen und neuartigen Informationen zu deren unmittelbaren Lebensbereichen versorgen. Das Projekt „Wiener Dateng’schichten“ startet mit Oktober 2020.

Völlig neue Ansätze im Daten-Storytelling und lebensnahe Geschichten in Echtzeit

Katharina Schell

Strategisches Vorzeigeprojekt

Für eine unabhängige Nachrichtenagentur wie die APA, die ihre Rolle auch als Dienstleisterin und Enabler für die österreichische Medien- und Kommunikationsbranche begreift und sich an der Schnittstelle von Inhalt und Technologie positioniert, fügen sich die Wiener Dateng’schichten optimal in die Strategie. Auch deshalb ist die Freude, sich dem Thema intensiver widmen zu können, groß. APA-CEO Clemens Pig sieht „Wiener Dateng’schichten als weiteres anschauliches Beispiel für die Kompetenz beim Einsatz von Daten und künstlicher Intelligenz im APA-Newsroom“. Die APA könne damit einen weiteren Baustein innovativer, maßgeschneiderter Content-Angebote für eine digitalisierte Medienbranche setzen.

Weiteres Beispiel für die Kompetenz beim Einsatz von Daten und künstlicher Intelligenz im APA-Newsroom

Clemens Pig

Auch für APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger ist die Förderung durch die Wiener Medieninitiative ein „wesentlicher Schritt für das Zukunftsfeld Automated Journalism in der APA. Unsere Redaktion hat mit Automated-Content-Wahlen schon im vergangenen Jahr journalistisches Neuland beschritten. Nun können wir diese neue Dimension des Datenjournalismus nutzen, um weitere relevante lokale Storys mit hohem Nutzwert für Medienhäuser sowie Userinnen und User zu erschließen.“

Redaktionelle Qualitätsstandards

Katharina Schell ist in der APA-Chefredaktion für redaktionelle Innovation zuständig und vertritt die Redaktion auch im APA-medialab, der Innovations-Unit der Austria Presse Agentur. Sie kennt den Bedarf von Redaktionen und weiß genau, was komplexe Algorithmen zum flüssigen Formulieren brauchen. Der redaktionelle Background ist es auch, der die APA für Projekte dieser Art besonders prädestiniert. Denn journalistische Qualitätsstandards wie Quellensicherheit, Plausibilitätsprüfung, Transparenz und Vier-Augen-Prinzip sind trotz des automatisierten Ablaufs sicherzustellen. Das betrifft neben Prüfungen der korrekten Datenlage beispielsweise auch Transparenzhinweise, dass es sich um automatisiert erstellte Information handelt.

Bei redaktionellen Automatisierungsprozessen ist die APA hierzulande Vorreiterin und bisher die einzige Anbieterin am österreichischen Markt für Lösungen im Bereich Automated Content für journalistische Zwecke.