Coronavirus: Wichtige Rolle von Qualitätsmedien
Medienwissenschafter Matthias Karmasin ortet auch „Renaissance der Sozialfigur des Experten“ und warnt vor blindem Vertrauen gegenüber Berichten über Social Media-Kanäle
Im Zuge der Entwicklungen rund um das neue Coronavirus zeige sich die „entscheidende Rolle“ von Qualitätsmedien, so der Medienwissenschafter Matthias Karmasin im APA-Gespräch. Gleichzeitig warnte er vor mitunter als seriöse Berichte getarnten Missinformationen, die aktuell in Social Media-Kanälen kursieren. Eine gewisse Renaissance erlebe momentan die Forschung und die „Sozialfigur des Experten“.
Wenn jetzt vermehrt Wissenschafter zu Wort kommen, zeige das auch, dass in derartigen Krisenzeiten das Vertrauen in Experten durchaus hoch ist. „Unaufgeregt, mit Augenmaß, aber realitäts- und evidenzbasiert“ zu arbeiten, sei das Gebot der Stunde.
Die Wissenschaft sei auch ein System, das etablierte und belastbare Qualitätssicherungsprozesse hat, „die eine bestimmte Verlässlichkeit der Aussagen garantieren, und das dadurch eine bedeutsame Rolle im öffentlichen Diskurs spielt“, sagte der Forscher vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Klagenfurt: „Unabhängig von Corona würde ich mir auch wünschen, dass man auf die Klimatologen genauso hört, wie jetzt auf die Virologen.“
Ähnlich der Aufwertung der Wissenschaft zeige sich in Krisenzeiten wiederum die „entscheidende Rolle“ von professionellen, etablierten Qualitätsmedien. Wenn in den vergangenen Tagen etwa über Social Media-Kanäle und direkte Kommunikation die Verbreitung von Gerüchten und Falschmeldungen zunimmt, werde das umso greifbarer, so der Direktor des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW und der Uni Klagenfurt.
Es gebe insgesamt „viel Licht, aber auch viel Schatten“ im Umgang mit der aktuellen Situation. Schaut man genauer hin, könne man einen deutlichen Unterschied zwischen Qualitätsmedien und solchen ausmachen, die nur auf Vermehrung der Klicks und Aufmerksamkeit aus sind. „Man sieht, dass diese Spreizung auch in Zeiten von Corona deutlich aufgeht. Es zeigt aber auch, dass Qualitätssicherungsmaßnahmen greifen und Medien ihrer Verantwortung gerecht werden“, so der Wissenschafter.
Angesichts der momentanen Vielzahl an fragwürdigen Berichten und der brodelnden Gerüchteküche auf Social Media-Kanälen und Co müsse die Gesellschaft intensiv darüber nachdenken, was ein Medium ist, das sich strengen Kriterien der Qualitätssicherung unterwirft, und was eigentlich eine „algorithmisch gesteuerte Werbeoptimierungsplattform“ ist, die sich mitunter den Anschein eines seriösen Informationsmediums umhängt. „Ich glaube, der Diskurs, der nach Corona in aller Härte geführt werden muss, ist genau dieser“, sagte Karmasin.
Das Ausmaß der Berichterstattung zur Epidemie sei bisher angemessen, weil sich ständig wirklich berichtenswerte Entwicklungen ergeben. Die Gefahr einer Art Verselbstständigung und einer Ermüdung oder Abwendung der Medienkonsumenten sieht Karmasin momentan nicht: „Das Thema ist so existenziell und lebensweltlich so relevant, dass im Moment eine Übersättigung nicht festzustellen ist.“